Gehören Internetärzte bald der Vergangenheit an?
Die Vorstellung, nicht mehr stundenlang im Wartezimmer warten zu müssen und dann mit dem Arzt über möglicherweise unangenehme oder gar peinliche Beschwerden zu sprechen, mag für einige ja verlockend klingen. Doch wo viele Vorteile sind, da lauern – oftmals versteckt – auch Tücken. Im Fall von Internetärzten, wie beispielsweise „DrEd“, sogar ganz gravierende.
Bei „DrEd“ handelt es sich um eine Onlinepraxis, die im Jahr 2011 gegründet wurde und von London aus von deutschen Ärzten betrieben wird. Warum die deutschen Ärzte ihren Sitz in London haben, fragen Sie sich? Ganz einfach: weil es dort erlaubt ist, Patienten aus der Ferne ärztlich zu beraten und zu behandeln, hierzulande aber nicht. Und das sog. Ferndiagnoseverbot gilt hier mit guten Gründen, denn ohne persönliche Untersuchung ist das Risiko einer falschen Diagnose und einer Fehlbehandlung (beispielsweise durch die Verschreibung eines falschen Medikaments, das durch ausgelöste Nebenwirkungen mehr schadet als hilft) viel zu hoch.
Obschon die Medikamente und die Hinweise dazu in der virtuellen Patientenakte laut Stiftung Warentest in Ordnung sind – der Patientenschutz ist u. E. insgesamt durch unzureichende Anamnese- und Diagnosemöglichkeiten, die mangelnde Aufklärung und Beratung des Patienten um unmittelbaren Dialog von Angesicht zu Angesicht und die Gefahr der Verschreibung eines falschen Medikamentes massiv gefährdet. Außerdem werden die Patienten zum Teil mit hohen Kosten konfrontiert: die anfallenden Kosten sind nämlich abhängig von der jeweiligen Art der Erkrankung sowie dem Aufwand der Diagnose und liegen zwischen 9,- und 49,- Euro. Von der Krankenkasse dürften diese Kosten in der Regel wohl nicht übernommen werden.
Dennoch boomt das Geschäft: Seit dem Start des deutschsprachigen Angebots im Jahr 2011 wurden laut eigener Aussage mehr als 15.000 deutsche Patienten behandelt. „DrEd“ sieht sich selbst insbesondere in der Pflicht, auf den „sensiblen Bereichen“ tätig zu werden: Erektionsstörungen, Geschlechtskrankheiten, „Pille danach“.
Möglicherweise sinkt die Gefahr unbehandelter Krankheiten durch das Angebot sogar, weil manche Patienten, die sonst aus Scham gar nicht zum Arzt gehen würden, wenigstens das Online-Portal aufsuchen.
Gleichzeitig nehmen die Patienten durch den fehlenden direkten Kontakt zwischen Arzt und Patient aber hohe Risiken in Kauf. Zwar obliegt es jedem Patienten selbst, sich für oder gegen die Konsultation eines Internetarztes zu entscheiden; ob allerdings bei vielen Betroffenen das Wissen über die Risiken der Inanspruchnahme von Internetärzten hinreichend bekannt und kritisch reflektiert worden ist, steht in Frage. Und wie kann sich das unbedingt erforderliche persönliche Arzt-Patient-Vertrauensverhältnis herausbilden? Erhöht nicht sogar die Bildschirm-Diagnose auch im Übrigen die Hemmschwelle, zum Arzt des Vertrauens zu gehen? Zu fordern ist im Gegenteil die Intensivierung der „sprechenden Medizin“.
Daher schlagen nun auch die Behörden Alarm und warnen vor Internetärzten. In politischen Kreisen ist sogar von einem möglichen Verbot von Internetärzten die Rede. Entsprechend ist im aktuellen Koalitionsvertrag der Großen Koalition zu lesen:
„Wir werden klarstellen, dass Voraussetzung für die Erstverschreibung von Arzneimitteln ein direkter Arzt-Patienten-Kontakt sein muss. Online-Konsultationen reichen dafür nicht aus, sondern bergen das Risiko von Fehldiagnosen und können so den Patientenschutz gefährden.“
Insofern könnte schon bald das Aus für derartige Online-Dienste kommen.
Quellen:
- Artikel „Koalition will Internet-Ärzten das Handwerk legen“, FAZ vom 14.11.2013
- Koalitionsvertrag 2013, 17, 81
- http://www.test.de/DrEd-Riskanter-Besuch-beim-Online-Arzt-4420335-0/
- http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/56011/Pille-danach-DrEd-schafft-Fakten
- http://www.spiegel.de/spiegel/a-800890.html