Ein Gesundheitswesen voller Lobbyisten

Entscheidungen in der Gesundheitspolitik zum Wohle der Patienten und Versicherten? Nicht, wenn Lobbyisten mehr oder weniger offen am Werk sind.

Und diese finden sich im Gesundheitswesen zu Hauf, wobei dies angesichts der Tatsache, dass in dieser Branche mit 5,2 Mio. Beschäftigten (Quelle: Statistisches Bundesamt, Stand: 2012) mehr Menschen tätig sind als etwa in der Automobilindustrie, nicht sehr verwundert. Diese Lobbyisten bezeichnete der Spiegel in seiner Ausgabe 17/2013 insofern sogar als „Feinde der Patienten“.

Lobbyismus wird definiert als Form der Interessenvertretung in Politik und Gesellschaft, also für sich gesehen nichts Verwerfliches. Es muss jedoch gefragt werden, wo die legitime Interessenvertretung ihre Grenzen findet und wann illegitime Einflussnahme oder gar Korruption anzunehmen ist. Die Gefahr besteht, dass sich am Ende nicht das Allgemeininteresse, sondern die eigenen Interessen der jeweiligen Lobby durchsetzen, und dass die Politik regelrecht von bestimmten Lobbygruppen überlaufen wird. Dies kann im Endeffekt dazu führen, dass gesundheitliche und allein am Wohl des Patienten orientierte Interessen und Belange auf der Strecke bleiben und marktwirtschaftliche Kriterien die Oberhand gewinnen. Nicht verwunderlich ist es daher, dass gerade die evidenzbasierte Medizin den Lobbyisten ein Dorn im Auge ist.

So kommen mitunter infolge der Lobbyarbeit Medizinprodukte auf den Markt und Behandlungsmethoden zum Einsatz, die nicht hinreichend getestet und auf ihre Wirksamkeit und ihren Nutzen untersucht sind. Desweiteren werden Diagnose- und Therapiemaßnahmen ausgeweitet und schlimmstenfalls im Einzelfall gar nicht bestehende Krankheiten erfunden. Außerdem werden Gesetze zugunsten der Patienten verhindert und solche zulasten der Patienten ausgeweitet. Der Patient wird damit letztlich kränker gemacht und durch zahlreiche unnötige und teils kostenintensive Untersuchungsmaßnahmen auch noch ärmer.

Für Transparenz im Bereich des Lobbyismus würde ein verpflichtendes und umfassendes Lobbyregister sorgen, in welchem Verbände und Unternehmen ihre Budgets angeben müssen, so wie es etwa in den USA der Fall ist. Dem hierzulande geführten freiwilligen und unvollständigen Lobbyregister (Öffentliche Liste über die beim Bundestag registrierten Verbände und deren Vertreter), in welchem im Jahr 2006 51 Ärzteverbände, 8 Arzneimittel- und 7 Krankenkassen-Vertretungen sowie 5 Apothekerverbände registriert waren (vgl. Ehler in: VW 2006, 806), lässt sich gerade nicht entnehmen, wie viel Geld in Deutschland für Lobbying ausgegeben wird. Man kann also nur grob erahnen, wie viel Einfluss die Lobbyisten auf die öffentliche Meinung ausüben und schließlich Reformen verhindern sowie Gesetze beeinflussen.

 

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