Unerträgliche Zustände in Pflegeheimen?
Unhygienische Zustände, Verwahrlosung und zahlreiche vermeidbare Unfälle: Sieht so ein typisches deutsches Pflegeheim aus oder sind solche Horrorzustände die absolute Ausnahme? Kann man pflegebedürftige Angehörige tatsächlich noch guten Gewissens einem Heim anvertrauen? Diese Fragen muss man sich ernsthaft stellen, wenn man sich den folgenden Fall vor Augen führt:
Der Sachverhalt, der dem Gerichtsurteil vom 25.05.2012 (LG Nürnberg-Fürth, Az. 12 O 589/12) zugrunde liegt, offenbart jedenfalls fürchterliche Szenarien. In dem zu beurteilenden Fall warf der Kläger dem Pflegeheim vor, seine inzwischen verstorbene Mutter nicht ordnungsgemäß gepflegt und somit die vertraglichen Pflichten grob vernachlässigt zu haben. Speziell geht es unter anderem um folgende Vorwürfe: die hygienischen Zustände seien unerträglich gewesen (so sei die wiederholt blut-, kot- und urinbeschmutzte Bettwäsche nicht ausreichend häufig gewechselt worden); man habe die Mutter des Klägers regelrecht verwahrlosen lassen; eine unsachgemäße Lagerung und unzureichende Mobilisierung habe zu Wundlagerungen geführt und auch die Ernährung sei nicht auf die pflegebedürftige Mutter angepasst worden.
Leider handelte es sich hierbei nicht um dramatische überzogene und haltlose Vorwürfe: Das Gericht sah es vielmehr als erwiesen an, dass sich die Ereignisse tatsächlich so abgespielt haben, denn dem beklagten Betreiber des Pflegeheims gelang es nicht, die Behauptungen als unrichtig zu entlarven.
Grundsätzlich trägt zwar der Kläger im Zivilprozess die Beweislast (in diesem Fall also der Sohn der verstorbenen Heimbewohnerin). Diese Beweislast darf allerdings keine zu große Hürde darstellen, denn es muss auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Anspruchsteller keinen Einblick in die genauen Betriebsabläufe des Pflegeheims besitzt. Demzufolge trifft den Beklagten in Fällen wie diesem eine sogenannte sekundäre Beweislast, das heißt, es reicht nicht aus, dass der Beklagte die Vorwürfe bestreitet, sondern darüberhinausgehend muss er ausnahmsweise ausführlich darlegen, weshalb die Behauptungen unrichtig sind.
Dies ist dem Betreiber des Pflegeheims allerdings nicht gelungen, sodass das Gericht die Klage des Sohns der pflegebedürftigen Heimbewohnerin aufgrund dessen schlüssig dargelegten Schilderungen als überwiegend begründet ansah und die Beklagte dazu verurteilte, an den Kläger als Erben seiner malträtierten Mutter ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.500,- € nebst Zinsen zu leisten.
Handelt es sich bei dieser Geschichte um einen tragischen Einzelfall oder finden sich in deutschen Pflegeheimen häufig derart desaströse Zustände vor?
Die Gerichte haben sich jedenfalls in regelmäßigen Abständen mit derartigen Vorwürfen gegen die Betreiber von Pflegeheimen und (häufig überfordertes) Pflegepersonal zu beschäftigen.
Häufig steht der Vorwurf im Raum, das entsprechende Pflegeheim habe seine Vertragspflichten verletzt. Wird eine pflegebedürftige Person in einem Pflegeheim untergebracht, so wird zwischen den Parteien ein Heimvertrag abgeschlossen. Durch diesen entstehen für das Pflegeheim Obhutspflichten und Verkehrssicherungspflichten zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Bewohner. Welche konkreten Maßnahmen zu diesem Zweck getroffen werden müssen, ist maßgeblich abhängig von den Umständen des Einzelfalls, also insbesondere von dem körperlichen und geistigen Zustand des jeweiligen Bewohners. Eine pauschale Aussage hierzu lässt sich daher nicht treffen. Ein paar Aspekte müssen aber auf jeden Fall beachtet werden: das Heim muss dafür Sorge tragen, dass die hygienischen Verhältnisse einem bestimmten Standard entsprechen, dass für das leibliche Wohl der Bewohner gesorgt wird und dass Unfälle vermieden werden. Das sollte natürlich eigentlich selbstverständlich sein, aber die oben genannten Gerichtsurteile deuten darauf hin, dass es in der Praxis teilweise anders aussieht.
Abschließend stellt sich die Frage, wie man das passende Pflegeheim für Angehörige findet. Auf jeden Fall sollte man sich bei der Auswahl eines bestimmten Pflegeheims viel Zeit nehmen und sich mit einigen wichtigen Fragen auseinandersetzen, damit man vor Albträumen verschont bleibt.